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STUTTGART

 
 
 
 
Inventar-Nr.
I/01228/76
Systematik
Gemälde, Grafik, Tusche/Gemälde/Dampfschifffahrt
 
Datierung
20. Jh
 
Personen / Körperschaften
Maße
Gewicht: ,24 kg
Maß: 13,50 x 19,30 x 2,30 cm
Objektmaß: 13,5 x 19 cm
 
Beschriftung

Handschriftlicher Vermerk auf der Rückseite:
»Von Marinemaler ? für Vater gemalt auf der Rückreise von China vom Boxerkrieg. N.D.L. Dampfer Stuttgart passiert im indischen Ocean das Lazarettschiff N.D.L. Dampfer Karlsruhe auf dem sich die Herren befanden.
Den Namen des Malers hat der Einrahmer leider abgeschnitten, u. ich erinnere mich nicht daran. Gertrud Visser-Peters«.

 
Beschreibung

1 Gerahmtes Bild, Gouache (?)
Dampfer Stuttgart mit kleinen Seglern im Hintergrund im Indischen Ozean. Rückreise nach Boxeraufstand 1901

Nach der Beschriftung auf der Rückseite zeigt das Bild den Dampfer STUTTGART wie er im indischen Ozean das Lazarettschiff KARLSRUHE des Norddeutschen Lloyd »auf der Rückreise von China vom Boxerkrieg« passiert. Die KARLSRUHE gehörte zur selben Schiffsklasse wie die STUTTGART, wurde in der Werft Fairfield in Glasgow gebaut und ab 1894 auf der Reichspostdampferlinie nach Ostasien eingesetzt.
Der erwähnte »Boxerkrieg« war eine chinesische Bewegung gegen das europäische koloniale Engagement in China, die sich aus der Religion und Kultur Nordchinas speiste und auf einer Vielzahl miteinander verflochtener Ursachen beruhte. Sie fand vor allem unter der Landbevölkerung Unterstützung und verbreitete sich dadurch weit. Im Frühjahr 1900 entschlossen sich auch Kreise am chinesischen Kaiserhof für die Unterstützung der sogenannten Boxer, dem sich auch das chinesische Militär anschloss. Die Situation verschärfte sich als ab Mai 1900 Boxer nach Peking strömten und Eisenbahnlinien bei Peking besetzten. Als die Lage der europäischen Gesandtschaften in Peking immer gefährlicher wurde, forderten die Gesandten Truppen aus den vor dem chinesischen Fort Dagu liegenden Flottenverbänden an. Der englische General Seymour versuchte daraufhin mit 2129 Marinesoldaten verschiedener Nationen, darunter auch 500 Deutsche, vergeblich Peking zu erreichen. In Guerillataktik griffen die Boxer die Truppe immer wieder an. Um die Verbindung mit den Truppen Seymours und den Kriegsschiffen wiederherzustellen, wurde das Fort Dagu beschossen, was die Kriegserklärung der chinesischen Regierung am 21. Juni zur Folge hatte: Boxer und reguläre Truppen belagerten nun die Botschaften in Peking. Bereits am 20. Juni wird der deutsche Gesandte Klemens von Ketteler ermordet, als er sich zum chinesischen Außenministerium begeben wollte, um gegen die Aufforderung Peking zu verlassen, zu protestieren.
Kaiser Wilhelm II. hatte als oberster Befehlshaber die Kommandogewalt über das Reichsheer und die Kriegsmarine. Er drängte auf eine schnelle aktive Beteiligung an der Niederschlagung des Aufstands durch die Entsendung eines großen deutschen Truppenkontingents und ordnete die Mobilmachung der Marineinfanterie an. Nach dem Eintreffen der Nachricht über die Ermordung Kettlers am 2. Juli befahl Wilhelm dann ein 19644 Mann starkes Ostasien-Korps nach China zu entsenden. Bereits in den 1890er Jahre beschrieb Wilhelm China als die »gelbe Gefahr«, eine direkte Bedrohung Europas. Diese Ansicht von einer Gefährdung Deutschlands kam auch in seiner Ansprache an die Werftarbeiter Bremerhavens am 3. August zum Ausdruck, wenn er von einer Gefahr für das Vaterland sprach.
Für die Verschiffung der Truppen vor allem von Bremerhaven aus nach China griff das Militär auch auf Schiffe aus dem vom Deutschen Reich subventionierten Reichspostdampferdienst zurück, denn sie konnten im Fall einer Mobilmachung der Marine gegen Vergütung in Anspruch genommen werden. Für den Truppentransport waren verschiedene Umbauten auf den Dampfern in Bremerhaven nötig: Einbauten von Kojen mit eisernen Bettgestellen, Gewehrständern, kleinen Schränken und Gestellen für die Unterbringung des persönlichen Eigentums im Zwischendeck.
Wilhelm II. unterbrach seine üblicherweise im Juli stattfindende Nordland-Fahrt und kam auf seiner Yacht Hohenzollern nach Bremerhaven, um die Schiffsausstattung und die Ausschiffung persönlich zu inspizieren. Das Hafengelände, wo die Einschiffung stattfand, war zwar außer für Angehörige der Soldaten abgesperrt, dennoch fanden sich bei der Ausfahrt der Dampfer Tausende ein. Wegen der vielen Besucher wurden von den Getränkeherstellern an den Truppentransporttagen Trinkhallen, Schankstellen und Schankbuden von Bier und Selterswasser in der Nähe des Verschiffungsorts eingerichtet.
Die Dampfer und Anlagen des Norddeutschen Lloyd bildeten die Kulisse und Bühne für den Redeauftritt Wilhelms II. vor den auslaufenden Mannschaften am Mittag des 27. Juli. Die später als Hunnenrede bekannt gewordene Rede zusammen mit dem Hafen wo maritime Macht, Militarismus und Nationalismus in Szene gesetzt war, trug zur Festigung der damaligen chinesischen Feindbildkonstruktion bei. Die Rede wurde bereitwillig von den Soldaten rezipiert, wie z. B. die Parole daraus »Pardon wird nicht gegeben!« In die Truppentransportschiffe wurde versucht, Kasernenleben mit all den ihm eigenen Regularien einzubringen, gewissermaßen »schwimmende preußische Kasernen« zu schaffen: »So ist unser Schiff für lange Zeit unsere Wohnung und Kaserne geworden.« schreibt beispielsweise Gustav Paul, Sergeant an Bord der PALATIA bei der Ausfahrt in Bremerhaven. Das Schiff als in sich geschlossenen Ort auf dem unendlichen Meer betont der Kommandeur des Ostasiatischen Expeditionskorps Emil von Lessel am 7. August 1900 an Bord der RHEIN wenn er schreibt: »Man fährt in einer Welt für sich, und niemand ahnt, was sich draußen vollzieht«.
Die entsandten deutschen Soldaten trafen allerdings erst nach der Eroberung Pekings durch eine europäische Truppe ein. Ein asymmetrischer Krieg, der nur noch aus sogenannten Strafexpeditionen bestand und nicht mehr zwischen Aufständischen und Unbeteiligten unterscheidet, war die Folge.
Bis zum Peace protokoll am 7. September 1901 wurden dabei hunderte Chinesen unter starker deutscher Beteiligung getötet. Insgesamt gab es nur 65 deutsche Gefallene. . Bei der Rückkehr der Truppentransporte aus China ab Mai 1901 wurden Kranke und Verwundete in Bremerhaven in 16 eigens errichteten Baracken an der Ostseite des Kaiserhafens versorgt. Kriegervereine in Bremerhaven und der »Vaterländische Frauen-Verein, Bremerhaven« entschlossen sich, ein Denkmal »den hier verstorbenen Kameraden des Ostasiatischen Expeditions-Corps« auf einem Bremerhavener Friedhof zu errichten, welches 1903 eingeweiht wurde.

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Kontakt

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